Was bei Aktien oft missverstanden wird


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Veröffentlicht am 21. September 2025

„Aktien bringen 7 % Rendite pro Jahr.“

Dies ist eine der ersten Aussagen, die man hört, wenn man sich mit Aktien-Investments beschäftigt. Es klingt beruhigend einfach – und ist gleichzeitig brandgefährlich. Denn die Aussage verschweigt den entscheidenden Punkt: Die Rendite von Aktien hing in der Vergangenheit maßgeblich davon ab, zu welchem relativen Preis man einsteigt. Oder, wie es die alte Hamburger Kaufmannsregel sagt: „Der Gewinn liegt im Einkauf.“

Viele Anleger übersehen genau das – und wundern sich später, warum die Realität an der Börse so gar nicht mit den Erwartungen zusammenpasst.

Was steckt hinter dem KGV?

Das Kurs-Gewinn-Verhältnis, kurz KGV (englisch: Price-Earnings-Ratio oder P/E), ist der vielleicht wichtigste Bewertungsmaßstab für Aktien. Es sagt nichts anderes, als wie viele Euro Anleger bereit sind, für einen Euro Gewinn zu zahlen. Bzw. für welchen Jahresgewinn-Multiplikator Unternehmen an der Börse gehandelt werden.  

  • Historischer Durchschnitt: rund 15 (das heißt Aktien werden zum 15-fachen des Jahresgewinns gehandelt)
  • Hohe Bewertungen: Alles, was deutlich über 20 liegt, gilt als teuer.
  • Niedrige Bewertungen: Unter 10 wird es oft günstig – wobei man eventuell in ein fallendes Messer greift, siehe deutsche Automobil-Aktien.

Das KGV ist kein Allheilmittel, aber ein sehr guter Indikator für die künftige Rendite. Je mehr ich im Einkauf zahle, desto weniger bleibt für die Rendite übrig. Eigentlich logisch – und trotzdem einer der größten Irrtümer an den Finanzmärkten.

Die JP Morgan Studie: teuer gekauft = Rendite futsch

Eine Studie der Investmentbank JP Morgan zeigt den Zusammenhang glasklar: Je höher das KGV beim Kaufzeitpunkt, desto niedriger die Rendite in den kommenden zehn Jahren.

  • Bei einem Einstieg mit KGV um 10 lagen die durchschnittlichen Jahresrenditen in der Vergangenheit oft bei 10 % und mehr.
  • Bei einem KGV von 15 gab es Jahresrenditen von circa 7 %.
  • Bei KGV-Werten über 25 schrumpften die Renditen dagegen auf 3 % oder wurden sogar negativ.

Der Mechanismus dahinter ist simpel: Wer schon zu Beginn sehr viel für einen Gewinn-Euro bezahlt, kann später kaum noch große Zuwächse erwarten. Die Luft nach oben ist schlicht dünn.

Noch klarer wird es, wenn man sich die Historie anschaut. In den 1980er-Jahren, als Aktien in den USA mit KGVs um 8 bis 12 gehandelt wurden, folgte ein goldenes Jahrzehnt mit zweistelligen Renditen. Umgekehrt erlebten Anleger, die um die Jahrtausendwende bei KGVs über 30 eingestiegen sind, das „verlorene Jahrzehnt“: Renditen nahe null trotz wachsender Unternehmensgewinne.

Der MSCI World – ein gefährlicher Wolf im Schafspelz

Viele Anleger beruhigen sich damit, dass sie im MSCI World investiert sind. Klingt nach breiter Sicherheit, ist aber eine Illusion. Denn fast 70 % dieses Weltindex entfallen auf die USA – und dort wiederum dominiert eine Handvoll Tech-Giganten.

Hier ein Blick auf die aktuellen KGVs der Top 10 im MSCI World (Stand September 2025):

  • Nvidia: 50
  • Microsoft: 38
  • Apple: 33
  • Amazon: 35
  • Meta: 27
  • Alphabet (A & C): 27
  • Broadcom: 88
  • Tesla: 250 (!)
  • JP Morgan: 16

Zum Vergleich: Der historische Durchschnitt liegt bei 15. Nur JP Morgan bewegt sich in diesem Bereich. Fast alle anderen Titel sind weit darüber – Tesla sogar in einer eigenen Umlaufbahn.

Und genau diese Unternehmen machen inzwischen einen erheblichen Teil des MSCI World aus. Wer also glaubt, mit einem simplen Indexfonds automatisch breit und günstig investiert zu sein, täuscht sich gewaltig. Der MSCI World ist längst ein US-Tech-Fonds im Schafspelz. Und zwar ein historisch sehr teurer.

Was wir in X-Rays immer wieder sehen

Unsere professionellen Depot-Analysen („X-Rays“ oder Röntgenbilder) bestätigen das Bild. Viele Portfolios, die wir prüfen, haben ein durchschnittliches KGV von 25 oder höher. Das bedeutet: Anleger sitzen heute auf Positionen, die historisch betrachtet deutlich überteuert sind.

Die Folge ist absehbar: Die Renditeerwartungen der Vergangenheit lassen sich damit nicht fortschreiben. Statt der erhofften 6–7 % pro Jahr könnten maximal 2–3 % herauskommen. Und wenn die Berater dann noch den Fehler machen, aktiv Einzeltitel auszuwählen, wird das Risiko weiter verschärft.

Ein Beispiel: Ein Anleger kam kürzlich mit einem Depot, das zu 40 % aus US-Tech-Einzeltiteln bestand. Durchschnittliches KGV: über 30. Seine Erwartung: 8 % Rendite pro Jahr. Unsere nüchterne Antwort: realistischerweise eher 0 % bis 3 %. Das Problem war nicht der Aktienmarkt an sich, sondern der viel zu hohe Einstiegspreis.

Nur nebenbei: Die Fallhöhe dieser Portfolios ist im Fall einer ernsten Krise natürlich auch sehr hoch.

Warum das so gefährlich ist

Hohe Bewertungen sind nicht automatisch ein Crash-Signal. Aber sie sind ein untrügliches Zeichen, dass die künftigen Renditen gering sein könnten. In der Mathematik und Statistik gibt es ein Phänomen, das „Rückkehr zum Mittelwert“ heißt. Was zu hoch fliegt, kehrt irgendwann zwangsläufig auf den Boden der Realität zurück. Bei teuren Aktien könnte der Aufschlag sehr hart und schmerzhaft sein.

Besonders problematisch: Viele Anleger sind darauf emotional nicht vorbereitet. Denn: „Es hat doch die letzten 10 Jahre funktioniert…“

Die bittere Wahrheit: Die Vergangenheit lässt sich nicht in die Zukunft verlängern. Renditen sind keine Naturgesetze, sondern das Ergebnis von Bewertungen.

Historische Beweise: Wenn Bewertungen schief lagen

Die Geschichte der Aktienmärkte ist voll von Beispielen, wie sehr der Einstiegszeitpunkt über die Rendite entscheidet.

  • Dotcom-Blase um 2000: Viele Anleger stiegen zu KGVs von über 40 in Technologiewerte ein. Die Folge: Ein Jahrzehnt ohne Rendite – obwohl die Gewinne vieler Firmen tatsächlich stiegen. Prominentes Beispiel: Die Telekom Aktie erreichte im März 2000 ihren historischen Höchststand von 103,50 Euro. Der aktuelle Kurs liegt bei 29 Euro.
  • Corona-Krise 2020: Inmitten der Panik waren Qualitätsaktien für KGVs von 10 bis 12 zu haben. Anleger, die damals den Mut hatten zuzugreifen, gehören heute zu den großen Gewinnern.

Das Muster ist immer dasselbe: Hohe Einstiegspreise vernichten Rendite, niedrige Einstiegspreise schaffen Chancen.

Der Gewinn liegt im Einkauf

Die Hamburger Kaufmannsregel gilt an der Börse genauso wie auf dem Fischmarkt: Der Gewinn liegt im Einkauf.

  • Wer zu teuer kauft, zahlt drauf.
  • Wer günstig einkauft, hat Luft nach oben.

Klingt banal, ist aber die wichtigste Lektion für jeden Anleger.

Fazit: Jetzt ist Klarheit gefragt

Anleger sollten sich nicht von der Vergangenheit blenden lassen. Historische Renditen sind kein Naturgesetz. Sie waren nur möglich, weil die Bewertungen vor zehn Jahren niedriger waren.

Heute sieht die Lage anders aus: Ein MSCI-World-Portfolio mit einem aktuellen KGV von 25,4 wird in den nächsten zehn Jahren, statistisch betrachtet, wahrscheinlich keine 7 % Rendite pro Jahr liefern.

Als Referenzpunkt: Unsere Portfolios sind bewusst so konstruiert, dass sie aktuell ein KGV von 13 bis 15 haben. Das heißt, sie befinden sich nahe des historischen Durchschnitts und geben Anlegern dadurch die Möglichkeit 7 % Rendite pro Jahr zu erzielen.

Mein Rat

Überprüfen Sie die Zusammensetzung Ihres Aktiendepots. Fragen Sie sich, ob Ihre Investments realistisch bewertet sind – oder ob Sie eventuell zu teuer sind.

Nur wer sein Depot regelmäßig durchleuchtet, kann sicherstellen, dass Renditeerwartungen und Realität nicht auseinanderdriften. Und das die Fallhöhe nicht zu hoch wird.

Wenn Sie Gewissheit wollen: Durch unserem professionellen Depot-Check (hier klicken) erfahren Sie, wie ihr Portfolio wirklich zusammengesetzt ist und wo die Chancen und die Risiken liegen.

Achim Teske Achim Teske

Achim Teske ist einer von nur rund 200 echten unabhängigen Honorar-Anlageberatern in Deutschland. Der Bankkaufmann und Diplom-Kaufmann hat 16 Jahre für globale Investmentbanken gearbeitet, darunter 10 Jahre in London und 6 Jahre in Singapur. Zuletzt war er Managing Director und Leiter des Portfolio Managements für Asien-Pazifik. Seit 2017 ist er Honorarberater. 2019 wurde er in den DIN-Normenausschuss für Finanzdienstleistungen berufen.

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