Achtung: Strukkis an der Uni
Die Jagdsaison ist eröffnet


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Veröffentlicht am 28. September 2025

Semesterstart: Willkommen im Jagdrevier. Neue Stadt, neues Fach, neue Freiheit – und schon beginnt für viele eine kaum bekannte Gefahr: die Hochsaison der Finanz-„Jäger“. Mit freundlich klingenden Einladungen zu „Karriere-Workshops“, „Gehaltsverhandlungen“ oder „Erste Hilfe fürs Studium“ sichern sich Vertreter großer Finanz-Strukturvertriebe Sichtbarkeit auf dem Campus. Was wie Fürsorge wirkt, ist oft die erste Spur ins Verkaufsgespräch. Wer frisch von der Schule kommt, gilt als Freiwild: wenig Finanzbildung, viel Vertrauen in offizielle Rahmen – perfekte Beute.

Jagdgebiet Uni: So kommen Vertriebe in Hörsäle und Köpfe

Der Zugang ist perfide. Er erfolgt über Career-Center, Hochschulgruppen, vermeintlich neutrale Seminare oder Sponsoring von Events. Mancher Hörsaal trägt den Namen eines Branchenpioniers; an anderen Orten werden Partys, Busreisen oder Fotoboxen unterstützt. Der Deal ist stets ähnlich: Sichtbarkeit gegen Daten. Listen gehen herum, „für eine kostenlose Gehaltsanalyse“, „für die Unterlagen zum Workshop“. Wer unterschreibt, wird später angerufen – höflich, professionell und beharrlich. Denn es winken Provisionen im vier- und fünfstelligen Bereich.

Die Methodik: Nähe, Nutzen, Nachfrage – dann Verkauf

Die Masche ist psychologisch sauber konstruiert. Zuerst kommt das niederschwellige Angebot (Bewerbungscheck, CV-Feedback, Mentoring). Dann das 1:1-Gespräch „nur zur Orientierung“. Im dritten Schritt folgt das „maßgeschneiderte Konzept“: erst Versicherungs-Basics (Haftpflicht, BU), später „Altersvorsorge“, gern per Fondspolice. Intern ist dafür seit Jahren ein zynischer Dreiklang überliefert: „Anhauen, umhauen, abhauen“. Für den Vertrieb rechnet sich das: Abschluss- und Bestandsprovisionen summieren sich über Jahre zu stabilen Einnahmeströmen.

Warum das wirkt – selbst bei klugen Köpfen

Studierende sind in Finanzfragen selten geübt. Selbst im BWL-Studium stehen Versicherungs- und Vergütungsfragen nicht auf dem Lehrplan. Gleichzeitig erzeugt der Hochschulrahmen Seriosität: Wenn die Uni Räume vergibt oder Veranstaltungen bewirbt, wirkt der Anbieter wie geprüft. Hinzu kommt Gruppendruck („Alle haben den Zettel ausgefüllt“), das Autoritätsargument („Der Dozent ist doch Experte“) und Harmoniebedürfnis („Jetzt nicht querstellen“). Ergebnis: Man lässt sich „erstmal beraten“ – und verlässt die Beratung mit einem Unterschriftstermin.

Was später im Ordner landet

In unserer Praxis sehen wir wiederkehrende Muster. 

1) Berufsunfähigkeits­versicherungen, die häufig mit einer Basisrente (Rürup-Rente) kombiniert sind. Vermeintlich zum Steuernsparen. Im Endeffekt eine teure finanzielle Zwangsjacke, weil man das Geld nicht mehr in einer Summe entnehmen kann. 

2) Fondspolicen mit doppelten Kostenebenen: Gebühren für den Policenmantel plus Gebühren für die gemanagten Fonds, oft ergänzt um Umschichtungs- und Verwaltungskosten. 

3) Klassische oder „neue klassische“ Rentenpolicen mit geringen Nettoerträgen nach Kosten und Inflation. 

Zwanzig Jahre später: Die Rechnung

Aus der cleveren „Frühstarter-Strategie“ wird ein Mühlstein. Zum Beispiel weil automatische jährliche Beitragserhöhungen in den Vertrag eingebaut werden. „Die Steigerungen federn die Inflation ab und Dein Gehalt steigt doch auch. Da musst Du mehr vorsorgen.“ Klingt erst mal logisch. Dass eine solche Beitragserhöhung eine neue Abschlussprovision auslöst, wird selten erwähnt.

Verträge, die als Student kaum wehtaten, entpuppen sich langfristig als Renditebremse. Über Jahrzehnte gezahlte Abschluss- und Verwaltungskosten, Performance-Minus gegenüber einfachen ETF-Lösungen, teure Zusatzbausteine – aufsummiert ergeben sich schnell sechsstellige Lücken gegenüber einer schlanken, honorarbasierten Lösung. Das Bittere: Viele merken es erst, wenn die Kinder studieren, die Immobilie saniert werden muss oder die Rente näher rückt.

Typische Warnsignale aus Betroffenenfällen

  • Vertragsalphabet-Suppe: mehrere Policen mit unklarer Funktion („läuft schon so“).
  • Fondsliste voller aktiver, hauseigener Produkte statt günstiger Indexfonds.
  • „Kosten sind doch im Vertrag drin“ – aber kein Effektivkostensatz (z. B. Reduction in Yield) auf einen Blick.
  • Starre Sparpläne statt flexibler, separater Geldanlage plus gezielter Absicherung.
  • Wechselempfehlungen im Jahrestakt: „Produkt X ist jetzt viel besser“ – jedes Mal mit neuen Kosten.

Die Anreizfalle: Warum Provisionslogik selten zum besten Ergebnis führt

Es gibt engagierte Vermittler. Das Grundproblem bleibt jedoch systemisch: Wer vom Produktverkauf lebt, muss Produkte verkaufen. Komplexe, bunte, langlaufende Verträge sind in diesem System attraktiver als simple, transparente Lösungen. 

Stimmen der Verbraucherschützer

Verbraucherorganisationen kritisieren seit Jahren die Methoden auf dem Campus und mahnen zu Zurückhaltung bei langlaufenden Policen. Der Bund der Versicherten und wissenschaftliche Stimmen aus der Hochschullandschaft weisen auf die strukturellen Interessenkonflikte hin: Der akademische Rahmen verleiht Anbietern einen Vertrauensvorschuss, den diese zu oft in Vertragsabschlüsse ummünzen. Für junge Menschen mit knapper Liquidität sind Abschlusskosten und starre Verpflichtungen jedoch besonders schmerzhaft.

Was Sie jetzt konkret tun können

  1. Inventur machen. Alle Policen und Sparverträge zusammentragen, Kosten, Garantien und Laufzeiten notieren.
  2. Zweck prüfen. Wofür wurde der Vertrag abgeschlossen? Deckt er genau dieses Risiko – oder sind Sparen und Versicherung unglücklich vermischt?
  3. Effektivkosten ermitteln. Nicht die Prospekttexte, sondern die reale Kostenwirkung („Reduction in Yield“) zählt.
  4. Alternativen vergleichen. BU-Schutz ja – aber sauber kalkuliert, ohne teure Extras. Altersvorsorge ja – aber getrennt per günstiger Geldanlage und klar definiertem Risikoschutz.
  5. Unabhängige Zweitmeinung einholen. Wer bezahlt den Berater – und wofür?

Campus 2025: Die Jagd geht weiter – nur raffinierter

Social-Media-Recruiting, Influencer im Laborkittel, „Finanzbildung“-Events mit Selfie-Wänden: Die Kulisse ist moderner geworden, die Mechanik dieselbe geblieben. Daten gegen Nähe, Nähe gegen Vertrauen, Vertrauen gegen Abschluss. Universitäten kämpfen mit knappen Budgets und nehmen Sponsorings dankbar an – das ändert nichts daran, dass Finanzprodukte Vertrauensgüter sind. Genau deshalb braucht es klare Leitplanken und vor allem aufgeklärte Konsumenten.

Gegenmittel: Bildung, Distanz, zweite Meinung

Finanzbildung heißt nicht, alles allein machen zu müssen. Es heißt, die richtigen Fragen zu stellen: Was kostet mich das pro Jahr wirklich? Welche Alternative gäbe es ohne Produktmantel? Was passiert, wenn ich in fünf Jahren pausieren muss? Wer bezahlt meinen Berater – und für welche Leistung genau? Antworten auf diese Fragen sind der beste Schutz vor eleganten Verkaufsskripten. Die zweite Schutzschicht ist Distanz: Keine Unterschrift nach dem Erstgespräch, keine Daten auf Zetteln, keine Zusage „bis morgen“.

Fazit: Jagdsaison ist jedes Jahr – die Folgen halten ein Leben

Die Beute von einst trägt heute die Last. Wenn Sie bei den Worten „Karriere-Workshop“ oder „kostenlose Analyse“ innerlich nicken – weil es damals auch so lief –, dann ist jetzt der richtige Moment, aufzuräumen. Ein klarer Versicherungsordner, in dem Absicherung und Geldanlage getrennt, schlank und nachvollziehbar organisiert sind, ist kein Luxus. Er ist die Voraussetzung dafür, dass Ihre Arbeit auch bei Ihnen ankommt – und nicht in Gebührenströmen versickert.

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Achim Teske Achim Teske

Achim Teske ist einer von nur rund 200 echten unabhängigen Honorar-Anlageberatern in Deutschland. Der Bankkaufmann und Diplom-Kaufmann hat 16 Jahre für globale Investmentbanken gearbeitet, darunter 10 Jahre in London und 6 Jahre in Singapur. Zuletzt war er Managing Director und Leiter des Portfolio Managements für Asien-Pazifik. Seit 2017 ist er Honorarberater. 2019 wurde er in den DIN-Normenausschuss für Finanzdienstleistungen berufen.

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