Was Anleger jetzt über offene Immobilienfonds wissen sollten
Es gibt Anlageformen, die über viele Jahre ein fast schon gemütliches Dasein geführt haben. Offene Immobilienfonds gehören dazu. In Bankberatungen wurden sie als ruhige Lösung verkauft: solide Werte, verlässliche Ausschüttungen, kaum Schwankungen. Viele Anleger hatten das Gefühl, ein Stück Betongold im Depot zu besitzen, das sich kaum bewegt, egal wie die Aktienmärkte schwanken.
Seit einiger Zeit zeigt sich jedoch ein anderes Bild. Die Fassade der vermeintlichen Stabilität bekommt Risse. Neue Zahlen der Bundesbank, Berichte im Handelsblatt und Auswertungen von Investmentcheck zeigen, dass diese Anlageform unruhiger geworden ist, als viele denken. Die Entwicklungen der vergangenen Monate sind kein Ausrutscher, sondern Teil eines Trends, den man im Blick haben sollte, wenn man selbst in offenen Immobilienfonds investiert hat.
Rekordabflüsse und ein ungewohnt unruhiger Markt
Im Juli 2025 wurden aus offenen Immobilienfonds knapp 900 Millionen Euro abgezogen. Das ist der höchste Wert seit 2017. Innerhalb eines Jahres summieren sich die Abflüsse sogar auf über 7,6 Milliarden Euro. Für eine Produktkategorie, die sich jahrzehntelang durch Ruhe ausgezeichnet hat, ist das ein bemerkenswerter Vorgang.
Die Anbieter bemühen sich, Ruhe auszustrahlen. Der neue Investmentchef von Union Investment Real Estate bezeichnet 2025 als Übergangsjahr. Viele Anleger hätten bereits 2024 ihre Anteile gekündigt, diese Rückgaben würden jedoch erst jetzt sichtbar. Das dürfte stimmen. Dennoch ändert es nichts daran, dass ein ungewöhnlich großer Strom an Kapital die Anlageklasse verlässt.
Warum offene Immobilienfonds so beliebt wurden
Der Erfolg offener Immobilienfonds war kein Zufall. Sie kamen zur richtigen Zeit. In der Niedrigzinsphase schienen zwei bis drei Prozent Ausschüttung fast wie ein Geschenk. Die Fonds schwankten wenig, vermittelten Stabilität und waren für viele Anleger der bequemste Weg, an Immobilien beteiligt zu sein, ohne eine eigene Immobilie kaufen zu müssen.
Auch die Vertriebskanäle spielten eine Rolle. Banken und Sparkassen empfahlen die Produkte gern, nicht zuletzt wegen der satten Verkaufsprovisionen. Mit der Zeit wurden offene Immobilienfonds so etwas wie das Standardprodukt für sicherheitsorientierte Anleger. Kaum ein Depot ohne mindestens einen dieser Fonds.
Die Zinswende hat das Fundament verschoben
Seit 2022 haben sich die Rahmenbedingungen verändert. Die Zinsen sind gestiegen, Immobilienpreise gefallen und viele Objekte stehen leerer als früher. Besonders Büroimmobilien haben zu kämpfen. Homeoffice, neue Arbeitsplatzkonzepte und hohe Modernisierungskosten belasten die Marktwerte.
Einige Fonds mussten bereits Abwertungen vornehmen. Die unerwartete 17-Prozent-Abwertung des UniImmo Wohnen ZBI im Jahr 2024 hat viele Anleger überrascht. Solche Korrekturen sind für diese Produktgruppe ungewöhnlich und zeigen, wie stark die Zinswende die Immobilienwelt durcheinandergebracht hat.
Neue Warnsignale: Verkaufsabschläge, die nachdenklich machen
Die Lage hat sich in diesem Jahr UniImmo Wohnen ZBI weiter zugespitzt. Investmentcheck berichtet über Immobilienverkäufe, die mit teils dramatischen Preisabschlägen erfolgt sind. In Einzelfällen wurden Immobilien für weniger als zehn Prozent ihres vorherigen Buchwerts verkauft. Auch der Durchschnitt spricht eine deutliche Sprache. Die Verkaufserlöse lagen mehr als ein Viertel unter den bilanzierten Werten.
Investmentcheck warnt: Der restliche Bestand des Fonds wurde bisher nur moderat abgewertet. Das deutet darauf hin, dass nicht alle Risiken bereits sichtbar sein könnten. Wenn einzelne Objekte mit sehr deutlichen Abschlägen verkauft werden, stellt sich die Frage, wie stabil die Bewertungen anderer Objekte tatsächlich sind.
Das strukturelle Grundproblem offener Immobilienfonds
Das größte Risiko dieser Fonds besteht nicht darin, dass eine Immobilie mal weniger wert ist. Das ist normal. Das eigentliche Problem liegt in der Kombination aus dem Versprechen an den Anleger und der Realität des Immobilienmarktes.
Anleger können ihre Anteile an offenen Immobilienfonds grundsätzlich zurückgeben. Die in dem Fonds enthaltenen Immobilien dagegen lassen sich jedoch nicht so schnell verkaufen wie Wertpapiere. Wenn viele Anleger gleichzeitig Kapital abziehen möchten, entsteht Druck. Der Fonds muss Immobilien eventuell auch dann veräußern, wenn der Markt ungünstig ist. Das kann zu Abschlägen führen. Diese Abschläge führen zu Wertverlusten. Wertverluste wiederum können neue Rückgaben auslösen.
Diese Mechanik ähnelt einem langsam anlaufenden Rad, das sich bei anhaltenden Rückgaben immer schneller dreht. Es ist kein dramatisches Ereignis. Es ist ein schleichender Prozess. Und genau das macht ihn bei offenen Immobilienfonds so gefährlich.
Ein brisantes Urteil wirft Fragen auf
Ein kürzlich ergangenes Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth gegen den UniImmo Wohnen ZBI hat die Branche zusätzlich bewegt. Die Richter kamen zu dem Schluss, dass der Fonds eine unangemessen niedrige Risikoklasse hatte. In der Realität war er deutlich risikoreicher.
Auch wenn das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, hat es Signalwirkung. Weitere Verfahren beschäftigen sich mit der Frage, ob Berater ihre Kunden ausreichend über die Risiken informiert haben. In Zeiten fallender Bewertungen bekommen solche Diskussionen ein anderes Gewicht.
Wie attraktiv sind offene Immobilienfonds heute noch
Viele Fonds erzielen derzeit Erträge von ein bis drei Prozent. Gleichzeitig sind solide Anleihen wieder attraktiv geworden. Kurzlaufende Unternehmensanleihen guter Qualität bringen drei Prozent oder mehr und sind täglich handelbar. Die Frage, wie sinnvoll ein Produkt mit langen Fristen und steigenden Risiken ist, stellt sich daher immer häufiger.
Das bedeutet nicht, dass offene Immobilienfonds grundsätzlich keine Daseinsberechtigung mehr haben. Aber sie sind nicht mehr die einfache und ruhige Lösung, die sie einmal waren. Wer investiert ist, sollte wissen, dass dieses Produkt aufgrund wahrscheinlich permanent höherer Zinsen heute anders funktioniert als vor fünf oder zehn Jahren.
Fazit
An den Kapitalmärkten und bei der Geldanlage gibt es eine eiserne Regel:
„Risiko und Rendite gehen immer Hand in Hand.“
Anders formuliert: Anleger sollten angemessen für die Risiken bezahlt werden, die sie eingehen. Und zwar in Form von laufendenden Erträgen und/oder Kapitalgewinnen.
Beim UniImmo Wohnen ZBI war dies offensichtlich nicht der Fall. Anleger erzielten zunächst stetige Renditen von 2 % bis 3 % pro Jahr. Dann kam plötzlich und unerwartet der 17 %-ige Absturz. Über Nacht waren die gesamten Erträge der Vorjahre ausradiert.
Offene Immobilienfonds befinden sich in einer Phase, in der vieles gleichzeitig in Bewegung ist. Manche Anleger ziehen sich bereits zurück, andere hoffen auf eine Normalisierung. Ob sich diese Hoffnung erfüllt, hängt davon ab, wie sich der Immobilienmarkt weiterentwickelt und wie die Fonds mit Rückgaben umgehen können.
Wichtig ist vor allem, die eigene Erwartungshaltung an die veränderte Realität anzupassen. Offene Immobilienfonds sind nicht automatisch sicher, sondern ein komplexes Produkt, das heute unter ganz anderen Bedingungen arbeitet als noch vor einigen Jahren. Wer seine Bestände nüchtern prüft, verschafft sich Klarheit, bevor Entscheidungen unter Zeitdruck nötig werden.
Denn bei Produkten, die lange Zeit unbewegt wirkten und plötzlich in Fahrt kommen, gilt ein alter Satz: Die Letzten tragen das größte Risiko.
Achim TeskeAchim Teske ist einer von nur rund 200 echten unabhängigen Honorar-Anlageberatern in Deutschland. Der Bankkaufmann und Diplom-Kaufmann hat 16 Jahre für globale Investmentbanken gearbeitet, darunter 10 Jahre in London und 6 Jahre in Singapur. Zuletzt war er Managing Director und Leiter des Portfolio Managements für Asien-Pazifik. Seit 2017 ist er Honorarberater. 2019 wurde er in den DIN-Normenausschuss für Finanzdienstleistungen berufen.
