Die ungeahnte
finanzielle Zeitbombe


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Die stark angestiegenen Zinsen haben dafür gesorgt, dass viele Menschen sich Gedanken über ihre Immobilien- und Praxis-Finanzierungen bzw. deren Anschlussfinanzierungen machen.

Das ist auch richtig so, denn die Zeiten der billigen Finanzierungen sind erst einmal vorbei. Die Immobilienzinsen liegen aktuell in der Regel bei über 4 % pro Jahr. Hinzu kommt die Tilgung, die in der Regel bei mindestens 2 % pro Jahr liegen sollte. Die Gesamtrate liegt also bei über 6 %.

Besonders Menschen mit sogenannten endfälligen Darlehen mit Tilgungsaussetzung sollten Ihre Finanzierungen prüfen. Denn viele davon sind ungeahnte finanzielle Zeitbomben.

Was ist ein endfälliges Darlehen?

Die Idee hinter dem endfälligen Darlehen ist gar nicht schlecht. Zumindest in der Theorie. Man nimmt ein Darlehen auf und tilgt dieses nicht regelmäßig, sondern erst ganz am Ende. Dadurch werden die Zinszahlungen künstlich hochgehalten. Diese Zinszahlungen lassen sich steuerlich geltend machen.

Parallel wird ein “Tilgungsersatz” abgeschlossen, zumeist eine Lebensversicherung. Diese wird an die finanzierende Bank abgetreten. In die Lebensversicherung werden monatlich Beiträge eingezahlt, so dass sich über die Jahre ein Kapitalstock aufbaut. Mit der Auszahlung aus der Lebensversicherung wird am Ende das Darlehen auf einen Schlag zurückgezahlt.

Theorie trifft Praxis

Was vielen Kunden nicht klar ist bzw. nicht klar gemacht wurde:

  • Lebensversicherungen haben in der Regel hohe Kosten.
  • Der “Garantiezins” wird nur auf das Kapital gezahlt, das übrig bleibt, nachdem der Versicherer seine Kosten abgezogen hat.

Unsere Erfahrungen aus über 2.000 geprüften Lebens- und Rentenversicherungen:

  • Jede zweite Versicherung ist im Minus, d. h. der aktuelle Vertragswert ist geringer als die Summe der eingezahlten Beiträge.
  • Lebensversicherungen, die die ursprünglich prognostiziert Ablaufleistung erreicht haben, können wir an einer Hand abzählen.

Kreditnehmer haben somit das Risiko, dass die Zahlung aus der Versicherung nicht ausreichen wird, um das Darlehen zu tilgen. Es gibt eine unerwartete Finanzierungslücke, die mit einem neuen Darlehen oder aus eigener Tasche gestopft werden muss. Bei größeren Darlehen kann diese Finanzierungslücke im sechsstelligen Eurobereich liegen.

Was jetzt?

Sie haben es wahrscheinlich schon vermutet: Endfällige Darlehen nützen vor allem Banken, Sparkassen, Finanzvertrieben und Versicherungen. Denn es können zwei Finanzprodukte verkauft werden: Eine Finanzierung und eine Lebensversicherung. Besonders fragwürdig ist der Einsatz dieses Konstrukts seit 2005, als die steuerlichen Vergünstigungen von Lebensversicherungen beschnitten wurden.

Praxisbeispiel: Bei einer 500.000 Euro Finanzierung können allein die Abschlusskosten 30.000 Euro betragen. 10.000 Euro für die Finanzierung (2 % Provision) und 20.000 Euro für die Lebensversicherung (4 % Provision)

Der mögliche Ausweg

Nicht selten höre ich den Begriff “Knebelung”, wenn Menschen klar wird, was mit ihnen gemacht worden ist. In nicht wenigen Fällen wurden Kunden regelrecht bedrängt, diese Kombi-Produkte abzuschließen bzw. es wurde der Eindruck erweckt, dass eine Finanzierung ansonsten abgelehnt werden würde.

Es gibt jedoch einen Ausweg, um sich aus einem teuren Tilgungsersatz zu befreien. In der Fachsprache heißt es “Sicherheitentausch”. Konkret: Sie verhandeln mit Ihrer Bank, dass Sie den teuren Tilgungsersatz (z. B. die Lebensversicherung) kündigen dürfen. Das zugeflossene Kapital wird dann in einen neuen, kostengünstigen und höher verzinsten Tilgungsersatz investiert. Zum Beispiel einen ETF-Sparplan oder eine Netto-Police. Diese wird dann an die Bank abgetreten.

In vielen Fällen lässt sich die Rendite um mindestens 2 % bis 3 % steigern, d. h. hier kommen schnell 5- und 6-stellige Beträge zusammen.

Ein Sicherheitentausch kann besonders sinnvoll für Finanzierungen sein, die nach 2012 abgeschlossen wurden. Denn seitdem ist die Verzinsung von Lebensversicherungen besonders stark gefallen, so dass viele Verträge enttäuschende Ablaufleistungen haben werden.

Und jetzt?

Falls Sie ein endfälliges Darlehen haben, ist es bei klassischen Versicherungen ratsam, die erwartete Ablaufleistung der Versicherung zu prüfen, damit es zu keiner bösen Überraschung kommt.

Besonders gefährlich wird es, wenn Ihnen eine fondsgebundene Versicherung verkauft wurde. Denn hier tragen Sie das volle Kapitalmarktrisiko. Zum Beispiel fielen die globalen Aktienmärkte Anfang 2020 aufgrund der Corona-Pandemie temporär um 40 %. Falls Ihre Versicherung unglücklicherweise gerade während einer solchen Abschwungphase ausgezahlt wird, könnte Ihre Finanzierungslücke enorm sein. Hier gibt es professionelle Möglichkeiten, um dieses Risiko zu reduzieren.

Achim Teske Achim Teske

Achim Teske ist einer von nur rund 200 echten unabhängigen Honorar-Anlageberatern in Deutschland. Der Bankkaufmann und Diplom-Kaufmann hat 16 Jahre für globale Investmentbanken gearbeitet, darunter 10 Jahre in London und 6 Jahre in Singapur. Zuletzt war er Managing Director und Leiter des Portfolio Managements für Asien-Pazifik. Seit 2017 ist er Honorarberater. 2019 wurde er in den DIN-Normenausschuss für Finanzdienstleistungen berufen.

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