Die dunklen Geheimnisse
der Finanzindustrie


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Erinnern Sie sich noch an die Zeiten, als man Urlaub im Ausland gemacht hat und im nächsten Monat flatterte eine gigantische Handyrechnung ins Haus, weil man zu viel oder im falschen Netz telefoniert oder getextet hatte?

Dieses Problem wurde vor vielen Jahren von der Europäischen Kommission gelöst, indem die Mobilfunkanbieter verpflichtet wurden, ihre Tarife zu senken. Das Ergebnis: Die Kosten für die Handynutzung im Ausland sind massiv gesunken. Man kann das Handy jetzt direkt nach der Landung sorgenfrei einschalten.

Sie haben es vielleicht schon gelesen. Seit kurzem hat die Europäische Kommission die deutsche Finanzindustrie im Visier.

Finanzindustrie im Visier der Europäischen Kommission

Genauer gesagt, ihr scheint der Kragen geplatzt zu sein, weil die Branche es offenbar nicht schafft, sich selbst zu regulieren. Aus diesem Grund erwägt die Kommission ein europaweites Provisionsverbot für Finanzprodukte (z. B. Lebensversicherungen und Fonds) einzuführen.

Provisionsverbot für Finanzprodukte

Dadurch sollen die Kosten von Finanzprodukten für Anleger gesenkt und die Honorarberatung gestärkt werden. Denn provisionsbasierte Finanzprodukte sind, laut Kommission, deutlich teurer als honorarbasierte. Ich kann das aus meiner Beratungspraxis bestätigen. Bei der Umstellung auf honorarbasierte Produkte erzielen wir regelmäßig Kosteneinsparungen von 50 % und Renditesteigerungen von 3 % bis 5 % p. a.. Das bedeutet mittel- bis langfristig eine sechsstellige Summe zusätzlich für unsere Mandanten. Und ruhiger Schlaf, weil es keine Provisionen und versteckte Kosten gibt.

Gegenwind von Lobbyisten und Interessenvertretern

Ein Provisionsverbot würde bedeuten, dass das Geschäftsmodell der Mehrheit aller Finanzberater, Banken und Sparkassen in Deutschland nicht mehr zulässig wäre. Deshalb laufen die Interessenvertreter und Lobbyisten der Finanzindustrie gerade Sturm und setzen alle Hebel in Bewegung, um den Status Quo zu verteidigen.

Der Status Quo der Finanzberatung in Deutschland

Traurig, aber wahr. Weniger als 1 % aller Finanzberater in Deutschland arbeiten ausschließlich auf Honorarbasis und haben sich freiwillig dazu verpflichtet, keine Provisionen zu akzeptieren. Im Wertpapierbereich sind das nur rund 500 Berater in ganz Deutschland (von über 350.000 Finanzberatern).

Es mag vielleicht überraschend klingen: Obwohl ich einer der wenigen Honorarberater bin, habe ich kein grundsätzliches Problem mit Provisionen. Eine Provision ist zunächst einmal eine Vergütungsform. So wie ein Honorar auch. Es ist kein Qualitätsmerkmal.

Allerdings sehe ich in meiner täglichen Beratungspraxis, was Provisionen, die oft intransparent oder sogar versteckt sind, anrichten. In den letzten Jahren haben meine Mitarbeiter und ich über 2.000 provisionsbasierte Altersvorsorgeprodukte überprüft. Die Ergebnisse lagen in der Regel irgendwo zwischen “Etwas enttäuschend” und “Schockierend”.

Hier eine kleine Auswahl der letzten Wochen:

  • Einem Ehepaar wurden von einem Makler neun Rürup Renten verkauft. Geschätzte Abschlussprovision für den Verkäufer: 11.000 Euro.
  • Ein Mandant hatte ein “Premium-Depot” bei einer Großbank bekommen, das zum großen Teil mit hauseigenen, renditeschwachen Fonds bestückt ist und jährliche Kosten von über 15.000 Euro hat.
  • Eine Mandantin hat seit 1994 rund 93.000 Euro in ihre Rentenversicherung eingezahlt. 28 Jahre später liegt der Vertragswert bei 91.000 Euro. Das ist ein Verlust von 2.000 Euro. Trotz 4 % Garantiezins!
  • Einem Mandanten wurde in großem Stil zu Gold- und Silber-Investments in Sicherheitslagern in Kanada und der Schweiz geraten.

Das sind keine Kavaliersdelikte. Hier ist massiver finanzieller Schaden entstanden, der das Vermögen und die Altersvorsorge meiner Mandanten stark beeinträchtigt hat. Leider sind es keine Ausnahmen.

Fakten und Zahlen zur Finanzbranche

Vollkommen klar: Man sollte eine Branche nicht unter Generalverdacht stellen. Es ist aber unbestritten, dass Provisionen zu Fehlanreizen und Interessenkonflikten führen. Deshalb denke ich inzwischen, dass ein generelles Provisionsverbot der richtige Weg ist, um finanziellen Schaden von Anlegern abzuwenden.

Aber entscheiden Sie selbst. Hier ein paar Zahlen und Fakten zum aktuellen Zustand der Finanzbranche (Achtung: Ich bin nicht zu 100 % neutral):

  1. Anonyme Testkäufe haben ergeben, dass 95 % aller neu angebotenen Finanzprodukte unpassend für Anleger waren (Quelle: Marktwächter Finanzen).
  2. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat herausgefunden, dass viele fondsgebundene Lebensversicherungen mit so hohen Kosten belastet sind, dass Anleger von Anfang an keine Chance auf eine reale positive Rendite hatten.
  3. Nur 2 % aller Aktienfondsmanager schaffen es, ihren Vergleichsindex zu übertreffen. Trotz häufig sehr hoher Kosten (Quelle: S&P).
  4. 0 % der jährlichen Standmitteilungen der Versicherer enthalten alle relevanten Informationen (Quelle: Verbraucherzentrale).
  5. Viele Banken schließen Filialen bzw. man bekommt unter 500.000 Euro Anlagesumme keine persönliche Beratung mehr. Parallel sind Banken und Sparkassen der Nr. 1 Vertriebskanal für Lebens- und Rentenversicherungen worden, weil der Beratungsprozess einfacher ist.

Was bedeutet das für Anleger?

Die Untersuchungen der BaFin und die Pläne der Europäischen Kommission zeigen deutlich, dass die Kosten von herkömmlichen, provisionsbasierten Finanzprodukten, z. B. Lebensversicherungen und gemanagten Fonds, oft viel zu hoch sind. Zu hohe Kosten bedeuten eine geringere Rendite für Anleger. Nicht selten versickern 80 % der Rendite als Kosten. Mittel- bis langfristig liegen die Kosten sowie die entgangenen Gewinne im fünf- oder sechsstelligen Eurobereich.

Handlungsempfehlungen

Meine Empfehlung: Überprüfen Sie, ob Sie auch betroffen sind, d. h. ob Ihnen auch Kapitalanlagen mit zu hohen Kosten verkauft worden sind. Praxishinweis: Bei nahezu allen Lebens- und Rentenversicherungen und vielen gemanagten Aktienfonds ist das der Fall.

Achim Teske Achim Teske

Achim Teske ist einer von nur rund 200 echten unabhängigen Honorar-Anlageberatern in Deutschland. Der Bankkaufmann und Diplom-Kaufmann hat 16 Jahre für globale Investmentbanken gearbeitet, darunter 10 Jahre in London und 6 Jahre in Singapur. Zuletzt war er Managing Director und Leiter des Portfolio Managements für Asien-Pazifik. Seit 2017 ist er Honorarberater. 2019 wurde er in den DIN-Normenausschuss für Finanzdienstleistungen berufen.

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