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Aufsicht rügt Versicherungsberatung.


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Veröffentlicht am 22. Juni 2025

Die Aufsicht hat getestet – und die Ergebnisse sind enttäuschend.

Diese Woche hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die Ergebnisse einer anonymen Testaktion veröffentlicht: BaFin-Prüfer hatten sich als Kunden ausgegeben und sich in Banken und Versicherungsagenturen zu Lebensversicherungen beraten lassen. Der Fokus: Wie gut, verständlich und passend ist die Beratung?

Die Beratungsqualität: In vielen Fällen mangelhaft.

Die BaFin bemängelte vor allem eines: Die empfohlene Lösung passte häufig nicht zu den individuellen Zielen oder zur finanziellen Situation der Kunden. Wichtige Informationen zu Kosten, Risiken oder Alternativen wurden nicht genannt oder verharmlost. Teilweise wurden Verträge verkauft, die ungeeignet waren.

Doch was die Aufsicht jetzt aufdeckt, ist für uns nichts Neues. Wir sehen dieselben Mängel seit Jahren – und zwar systematisch.

3.000 geprüfte Verträge – und ein wiederkehrendes Muster

Seit 2017 haben wir über 3.000 Lebens- und Rentenversicherungsverträge analysiert. Hinter jeder einzelnen Police steht ein Anleger, der darauf vertraute, gut beraten zu werden.

Unsere Erfahrung: Die meisten Verträge weisen grundlegende Schwächen auf. Hier einige der häufigsten Probleme:

  • Hohe Abschluss- und Vertriebskosten, die in den ersten Jahren jede Rendite auffressen.
  • Hohe laufende Kosten, z. B. Verwaltungskosten, Risikokosten, Bestandsprovisionen und Fondsgebühren
  • Niedrige Renditen selbst nach Jahrzehnten Laufzeit – oft unterhalb der Inflationsrate.
  • Unflexible Verträge, die eine Anpassung an veränderte Lebenssituationen unmöglich oder teuer machen.
  • Komplexe Fondsstrukturen, in denen sich kaum jemand zurechtfindet – nicht selten konzerneigene Dachfonds

Diese Erkenntnisse decken sich in erschreckender Weise mit den Feststellungen der BaFin.

Besonders betroffen: Rürup-Renten und Geschäftsführer-Versorgungen

Ein Schwerpunkt der BaFin-Prüfung lag auf herkömmlichen kapitalbildenden Lebensversicherungen, dem Nr. 1 Altersvorsorgeprodukt in Deutschland. Doch aus unserer Sicht sollten zwei Produktgruppen besonders gründlich hinterfragt werden:

1. Rürup-Renten (Basisrenten)

Die steuerliche Förderung macht sie auf den ersten Blick attraktiv – vor allem für Selbstständige und Gutverdiener. Doch in der Praxis sehen wir häufig:

  • Starre Konstruktion: Das Kapital ist lebenslang gebunden. Keine Entnahme, keine Vererbung, kein Kapitalwahlrecht.
  • Schlechte Rentenfaktoren: Kunden müssen in der Regel sehr alt werden, nicht selten über 100 Jahre, um ihr Kapital zurückzubekommen.
  • Koppelung mit Berufsunfähigkeitsversicherungen (BU): Dadurch werden die Verträge extrem unflexibel und können nicht beitragsfrei gestellt werden, da der BU-Schutz verloren geht.

In vielen Fällen ist die Rürup-Rente eine langfristige Kostenfalle, deren Nachteile im Beratungsgespräch nicht klar kommuniziert wurden.

2. Geschäftsführer-Versorgungen

Pensionszusagen, Unterstützungskassen oder Rückdeckungsversicherungen – die Möglichkeiten sind vielfältig, komplex und beratungsintensiv. Unsere Erfahrung ist, dass viele betriebliche Vorsorgeverträge finanziell mehr schaden als nützen.

  • Steuerliche Vorteile werden oft versprochen. In der Realität aber selten erreicht oder durch hohe Kosten aufgefressen.
  • Unrealistische Hochrechnungen, die später nicht einmal annäherungsweise erfüllt werden.
  • Schlechte Renditen, denn das Kapital wird häufig vor allem in Anleihen mit niedriger Verzinsung investiert.

Besonders kritisch: Den meisten Geschäftsführern wurde nicht sauber erklärt, wie ihre eigene Altersversorgung eigentlich funktioniert – und welche Risiken sie eingehen.

Unsere Erfahrung: Ein strukturelles Problem – kein Einzelfall

92 % der von uns untersuchten Verträge waren finanziell nachteilig. Die Ursache ist aber nicht der böse Wille einzelner Berater. Das Problem ist systemisch: Denn 99 % aller Lebens- und Rentenversicherungen werden gegen Provision vermittelt.

Und die Provisionen können exorbitant sein. 4 % bis 6 % Provision auf die Vertragssumme sind keine Seltenheit. In der Spitze wurden auch schon mal 7,8 % gezahlt. Die Vertragssumme ist die Summe, die über die gesamte Laufzeit eingezahlt wird. Das sind oft sechsstellige Beträge. Mit anderen Worten, Vermittler verdienen regelmäßig 10.000 Euro oder mehr für den Verkauf einer einzigen Lebensversicherung. Falls Versicherungen als Tilgungsersatz für ein Darlehen eingesetzt werden, zum Beispiel für ein Praxis- oder Immobiliendarlehen, kann die Provision auch ein Vielfaches davon sein. Wir haben auch schon Provisionen von über 200.000 Euro aufgedeckt.

Das bedeutet:

  • Wer nicht verkauft, verdient nichts.
  • Wer mehr verkauft, verdient mehr.
  • Wer ein einfaches, kostengünstiges Produkt empfiehlt, verdient weniger.

In einem solchen System sind Fehlanreize programmiert. Es geht nicht unbedingt mehr um die Frage: Was braucht der Kunde wirklich?
Sondern darum: Was lässt sich am besten verkaufen – mit maximaler Provision und minimalem Aufwand?

Die BaFin fordert – aber ändert sich wirklich etwas?

Die Aufsicht kann mahnen, kontrollieren und Bußgelder verhängen. Doch solange das Geschäftsmodell auf Provisionen basiert, wird sich an der Grundstruktur wenig ändern.

Für Verbraucher heißt das: Selbst aktiv werden.

Wer eine Lebensversicherung abgeschlossen hat – insbesondere eine Rürup-Rente oder eine Geschäftsführer-Versorgung – sollte den Vertrag unabhängig überprüfen lassen. Dabei geht es nicht nur um die Kosten, sondern auch um zentrale Fragen:

  • Passt der Vertrag überhaupt zu meinem Leben?
  • Welche Rendite kann ich realistisch erwarten?
  • Welche Alternativen gäbe es heute – bei gleichem Risiko?

Die traurige Wahrheit: Die wenigsten Anleger wissen überhaupt, wie ihr Vertrag funktioniert, was er kostet – und was am Ende voraussichtlich herauskommt.

Fazit: Auf die Versicherer verlassen Sie sich auf eigene Gefahr

Noch immer glauben viele Menschen, dass die Lebensversicherung ein sicherer Klassiker sei – ein Grundpfeiler der privaten Vorsorge. Doch diese Vorstellung stammt aus den 1980ern.

In der Realität des Jahres 2025 sind viele Verträge teuer, unflexibel und renditeschwach.

Das Problem: Als Laie ist es nahezu unmöglich, zu beurteilen, ob ein Vertrag vorteilhaft oder nachteilig ist. Die jährlichen Schreiben der Versicherer verursachen in der Regel nur noch mehr Verwirrung.

Der aktuelle BaFin-Bericht ist ein Weckruf. Die Beratung zu Versicherungen ist oft mangelhaft. Zum Schaden der Kunden.

Falls Sie Lebens- und Rentenversicherungen zur Geldanlage und Altersvorsorge einsetzen, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass Sie am Ende enttäuscht werden. Dagegen gibt es nur ein Mittel: Klarheit schaffen.

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Achim Teske Achim Teske

Achim Teske ist einer von nur rund 200 echten unabhängigen Honorar-Anlageberatern in Deutschland. Der Bankkaufmann und Diplom-Kaufmann hat 16 Jahre für globale Investmentbanken gearbeitet, darunter 10 Jahre in London und 6 Jahre in Singapur. Zuletzt war er Managing Director und Leiter des Portfolio Managements für Asien-Pazifik. Seit 2017 ist er Honorarberater. 2019 wurde er in den DIN-Normenausschuss für Finanzdienstleistungen berufen.

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