Ein leiser Abschied, ein lauter Nachhall
Er galt als das Orakel von Omaha, als der besonnene Gegenpol zu all den schillernden, lautstarken Börsengurus unserer Zeit. Nun hat Warren Buffett, der wahrscheinlich erfolgreichste Investoren der vergangenen 70 Jahre, seinen Rückzug angekündigt. Ein stiller, fast schon unspektakulärer Abschied – ganz im Sinne seines Lebensstils.
Doch wer genau hinsieht, erkennt: Dieser Rückzug markiert das Ende einer Ära. Und wirft die Frage auf, was bleibt. Oder besser: Was wir mitnehmen sollten aus mehr als 70 Jahren Investment-Erfahrung eines Mannes, der konsequenter war als fast alle anderen.
Vom Zeitungsjungen zum Multimilliardär
Warren Edward Buffett wurde 1930 in Omaha, Nebraska geboren – mitten in der Großen Depression. Schon als Kind zeigte sich seine Faszination für Zahlen, Geschäfte und Geld: Mit elf Jahren kaufte er seine erste Aktie. Mit sechzehn hatte er bereits mehrere Hundert Dollar auf dem Konto – verdient mit Zeitungsaustragen und kleinen Geschäftsideen.
Nach Stationen an der Wharton School, der University of Nebraska und der Columbia Business School (wo er vom Value-Investing-Pionier Benjamin Graham lernte), begann Buffetts beispiellose Karriere.
1965 übernahm er die Textilfirma Berkshire Hathaway und formte sie Schritt für Schritt in eines der größten Investment-Konglomerate der Welt um. Heute hält Berkshire Beteiligungen an Unternehmen wie Coca-Cola, American Express, Apple, Kraft Heinz und vielen anderen.
Fünf Sätze, die bleiben
Buffett war nicht nur Investor, sondern auch Meister der klaren Worte. Viele seiner Zitate sind legendär – weil sie treffen. Und weil sie zeitlos sind.
Hier eine kleine Auswahl:
„Nur wenn die Ebbe kommt, sieht man, wer nackt geschwommen ist.“
Ein scharfer Kommentar zu Krisen: Wer hohe Risiken eingeht, wird in schwierigen Phasen entlarvt. Aktuelles Beispiel: Die Pleite des Immobilien-Investors Rene Benko, der zu viel Schulden gemacht hatte und pleite ging, als die Zinsen vor drei Jahren überraschend stiegen. Das vielleicht prominenteste Beispiel seiner fehlgeleiteten Gier: Der halb fertiggestellte Elbtower in Hamburg. Auch „Kurzer Olaf“ genannt.
„Sei ängstlich, wenn andere gierig sind. Sei gierig, wenn andere ängstlich sind.“
Buffetts Plädoyer für antizyklisches Investieren und das Ignorieren von gehypten Aktien – psychologisch anspruchsvoll, aber oft lohnend.
„Die Börse ist ein Instrument zur Umverteilung von Geld – von den Ungeduldigen zu den Geduldigen.“
Ein Aufruf zur Ruhe in einer Welt voller Hektik.
„Man sollte nur in Firmen investieren, die auch ein absoluter Vollidiot leiten kann. Denn eines Tages wird genau das passieren.“
Ein Hinweis auf die Bedeutung der wirtschaftlichen Stabilität von Unternehmen. Warren Buffett hat vor allem in sogenannte Substanzunternehmen investiert
„Investieren ist einfach, aber nicht leicht.“
Das Fundament seiner Philosophie: Disziplin schlägt Komplexität.
Die Buy-and-Hold-Strategie – einfach, aber wirkungsvoll
Buffett wurde reich, nicht weil er ständig neu investierte, sondern weil er gute Unternehmen fand – und sie behielt. Jahrzehntelang. Seine sogenannte Buy-and-Hold-Strategie ist verblüffend einfach: Investiere in großartige Unternehmen mit klarem Geschäftsmodell, starker Marktstellung und guter Unternehmensführung – und halte durch.
Was macht diese Strategie so stark?
- Zinseszinseffekt: Wer lange investiert bleibt, profitiert vom exponentiellen Wachstum – vor allem bei Reinvestition von Dividenden.
- Weniger Steuern und Kosten: Langfristiges Halten vermeidet Umschichtungen, Verkaufsgewinne und damit auch Steuerbelastungen.
- Weniger Stress: Marktphasen mit roten Zahlen lösen keinen Handlungsdruck aus – im Gegenteil: Sie bieten oft Nachkaufgelegenheiten.
- Psychologischer Vorteil: Wer ein langfristiges Ziel hat, bleibt ruhiger – und widersteht der Versuchung, jedem Trend hinterherzulaufen.
- Empirischer Beleg: Studien zeigen, dass Market-Timing in der Regel schlechter abschneidet als schlichtes Halten eines globalen ETF-Portfolios.
Warum das gerade jetzt wichtiger denn je ist
Wir leben in einer Zeit, in der die Börse wie eine Mischung aus X (früher: Twitter), Talkshow und Glücksspiel wirkt. Täglich neue Nachrichten, Meinungen und Crash-Warnungen. Viele Anleger werden nervös, machen hektische Umschichtungen oder suchen nach „sicheren“ Alternativen – meist ohne langfristige Strategie.
Buffetts Philosophie ist das Gegenprogramm: ruhig bleiben, verstehen, investieren – und durchhalten.
Gerade in Krisen, bei Inflation, Zinswenden oder geopolitischen Unsicherheiten bewährt sich ein gut strukturiertes Depot. Das bedeutet:
- Globale Diversifikation mit kostengünstigen ETFs und Indexfonds
- Klare Trennung von Risiko- und Sicherheitsbausteinen
- Passende Liquiditätsreserve für Notfälle
Und vor allem: Keine emotionalen Kurzschlussreaktionen.
Drei Dinge, die Buffett jedem mitgeben würde
- Investieren ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Wer die Börse wie ein Schnellball-System betrachtet, wird früher oder später ausgebremst – durch Kosten, Steuern oder Nerven.
- Es ist wichtiger, ein gutes Verhalten zu haben als gute Prognosen. Denn niemand weiß, wohin der Markt morgen geht. Aber wer ruhig bleibt, hat langfristig die besseren Karten.
- Finanzielle Intelligenz ist lernbar. Buffett war kein Genie, sondern konsequent. Er las, dachte nach und entschied – oft gegen den Strom.
Fazit: Ein Erbe, das keine Milliarden braucht
Warren Buffett hinterlässt nicht nur ein Milliardenvermögen, sondern auch eine klare Botschaft: Investieren soll nicht beeindrucken – es soll funktionieren. Es geht nicht darum, die Zukunft vorherzusagen. Es geht darum, vorbereitet zu sein.
Für private Anleger heißt das: Sie brauchen keine Geheimtipps, keine Coaching-Pakete und keine überteuerten Produkte.
Sie brauchen eine durchdachte Anlagestrategie, die genau zu Ihnen passt, ein gut konstruiertes Portfolio – und einen langen Atem.
Und vielleicht hin und wieder ein Zitat von Warren Buffett, wenn die Welt mal wieder durchdreht.

Achim Teske ist einer von nur rund 200 echten unabhängigen Honorar-Anlageberatern in Deutschland. Der Bankkaufmann und Diplom-Kaufmann hat 16 Jahre für globale Investmentbanken gearbeitet, darunter 10 Jahre in London und 6 Jahre in Singapur. Zuletzt war er Managing Director und Leiter des Portfolio Managements für Asien-Pazifik. Seit 2017 ist er Honorarberater. 2019 wurde er in den DIN-Normenausschuss für Finanzdienstleistungen berufen.