Urteil gegen Immobilienfonds
Die Fassade bröckelt


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Veröffentlicht am 18. Mai 2025

Der Mythos vom sicheren Beton

„Immobilienfonds sind sicher.“ Diesen Satz hörte man jahrelang in Bankfilialen, bei Sparkassen und vielen anderen Finanzberatern. Das Produkt war einfach zu erklären: Immobilien, Mieteinnahmen, stabile Ausschüttungen. Alles ganz solide.

Nach zwei aufsehenerregenden neuen Gerichtsurteilen bröckelt die Fassade. Beide Urteile sind noch nicht rechtskräftig, weil die unterlegenen Sparkassen und Volksbanken in Berufung gegangen sind. Am grundsätzlichen Problem mit Immobilienfonds ändert das aber nichts.

Der Fall UniImmo: Wohnen ZBI

Das Landgericht Stuttgart hat einer Anlegerin Recht gegeben, die Schadenersatz von ihrer Volksbank verlangt hatte. Die Volksbank hatte der Anlegerin den Immobilienfonds UniImmo: Wohnen ZBI verkauft. Dieser Fonds war im Jahr 2024 aus heiterem Himmel an einem Tag um 17 % im Wert gefallen. Der Wertverfall war schockierend, weil der Fonds mit der sehr niedrigen Risikostufe 2 (von 7) klassifiziert worden war. Er galt somit als risikoarm.

Zum Vergleich: Kurzlaufende Staats- und Unternehmensanleihen hoher Bonität, die wir bei der Geldanlage als Sicherheitsanker einsetzen, haben ebenfalls die Risikostufe 2.

Der Immobilienfonds war also von vornherein mit einer unzureichenden Risikostufe gekennzeichnet worden, so die beiden Urteile.

Hintergrund

Der UniImmo: Wohnen ZBI wurde 2017 aufgelegt und ist ein Kind der Nullzinsphase. Er versprach Anlegern „substanzerhaltende Erträge“ durch Wohnimmobilien in deutschen Ballungsräumen. Und er wurde über viele Volksbanken flächendeckend vertrieben. Als defensiv. Als sicher. Als Sachwert.

Im Verkaufsprospekt liest man von „regelmäßigen Auszahlungen“ und „breiter Risikostreuung“. Auch in der Risikokennzeichnung tauchte das Wort „mittel“ auf. Dass der Fonds 2024 17 % einbrach und Anleger 800 Millionen Euro verloren, passte somit überhaupt nicht ins Bild.

Im Februar 2025 urteilte das Landgericht Nürnberg-Fürth, dass die Risikoklasse zu niedrig angesetzt wurde. In einem zweiten Verfahren entschied das Landgericht Stuttgart Mitte Mai 2025, dass eine Anlegerin ihre komplette Einlage zurückerhält – wegen Falschberatung durch die Volksbank Böblingen. Der Fonds sei ihr als „ähnlich sicher wie ein Festgeld“ verkauft worden. Das Gericht bewertete dies als klaren Verstoß gegen die Beratungspflicht.

„Dem durchschnittlichen Anleger wurde durch die Einstufung eine Risikostruktur suggeriert, die mit der tatsächlichen Marktvolatilität nicht vereinbar ist.“

Mehrere Verbrauerkanzleien bereiten nun Musterverfahren vor. Die Rede ist von Hunderten Klagen gegen verschiedene Volksbanken sowie das Fondsmanagement selbst.

Hinter den Kulissen: Vertrieb mit System

Fast alle großen offenen Immobilienfonds werden über konzerneigene Banken verkauft. Sparkassen bieten Deka-Produkte an. Volksbanken UniImmo. Commerzbank hausinvest. Die Deutsche Bank bringt den DWS grundbesitz europa unters Volk.

Und alle profitieren vom selben Modell: Abschlussprovisionen, Bestandsprovisionen, Service-Entgelte. Die Beratung ist meist provisionsbasiert. Eine unabhängige Honorarberatung? In diesem Segment faktisch nicht existent.

Interessenkonflikte, weil Berater und Produkt aus demselben Konzern stammen? Gehören zur Architektur.

Die zehn größten Fonds – Eine Übersicht

  1. Deka-ImmobilienEuropa: Der Klassiker der Sparkassen. Stark in Zentraleuropa investiert.
  2. hausInvest: Commerzbank-Tochter. Einer der ältesten Fonds überhaupt.
  3. UniImmo: Deutschland: Verteilt sich auf Büro- und Wohnimmobilien.
  4. UniImmo: Europa: Stark in den Niederlanden und Frankreich investiert.
  5. WestInvest InterSelect: Fokus auf Einzelhandel. 
  6. grundbesitz europa RC: Setzt stark auf Premium-Immobilien in A-Lagen.
  7. Deka-ImmobilienGlobal: Die globale Variante, inklusive Asien.
  8. WestInvest ImmoValue: Auch von der Deka.
  9. UniImmo: Wohnen ZBI: Der aktuelle Problemfall.
  10. UniImmo: Global: Union Invest (Volksbanken).

Der Bruch mit dem Mythos Immobilie

Immobilien gelten in Deutschland als unerschütterlich. „Betongold.“ Man kann sie sehen, anfassen, vermieten. Genau dieses Bild wird in der Werbung für Fonds genutzt – obwohl die Anleger nicht Eigentümer einzelner Immobilien sind.

Was sie besitzen: Anteile an Gesellschaften, die ihrerseits Immobilien halten. Mit Bewertungsrisiken, Kostenschichten und steuerlichen Komplexitäten. 

Bessere Alternativen – ohne Illusion

Seit der Zinswende im Jahr 2022 kann man mit Anleihen hoher Bonität wieder um die 3 % Rendite oder mehr erzielen. Liquide. Transparent. Und ohne die Vertriebskonstrukte der Fondsbranche.

Ein Rechenbeispiel:

  • Ein Immobilienfonds mit 1,9 % Kosten und 2,5 % Bruttorendite bringt netto 0,6 %.
  • Ein Anleihen-ETF mit 0,2 % Kosten und 3,0 % Rendite bringt 2,8 %.

Der Unterschied ist kein Detail. Sondern entscheidend für den langfristigen Vermögensaufbau. 2 % mehr Rendite pro Jahr sind langfristig ein Vermögen.

Fazit

Zwei Urteile, eine Botschaft: Die Sicherheitsversprechen offener Immobilienfonds scheinen in manchen Fällen fragwürdig.

Wer „sichere“ Immobilienfonds im Portfolio hat, sollte diese analysieren, um herauszufinden, worin man eigentlich investiert ist. Und was die wirkliche Rendite nach Kosten ist.

Erfahrungsgemäß wird die Rendite im niedrigen einstelligen Prozentbereich pro Jahr liegen. Wir sprechen hier von einem zinslosen Risiko. Mit Anleihen kann man wahrscheinlich bessere Renditen erzielen. Oft mit geringerem Risiko und täglicher Verfügbarkeit.

Achim Teske Achim Teske

Achim Teske ist einer von nur rund 200 echten unabhängigen Honorar-Anlageberatern in Deutschland. Der Bankkaufmann und Diplom-Kaufmann hat 16 Jahre für globale Investmentbanken gearbeitet, darunter 10 Jahre in London und 6 Jahre in Singapur. Zuletzt war er Managing Director und Leiter des Portfolio Managements für Asien-Pazifik. Seit 2017 ist er Honorarberater. 2019 wurde er in den DIN-Normenausschuss für Finanzdienstleistungen berufen.

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